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Opferdenkmal Oberursel, 2016. Foto: Uwe Seemann
Opferdenkmal Oberursel, 2016. (Foto: Uwe Seemann)

Am 3. September 2016 um 11:00 Uhr findet die offizielle Übergabe des „Denkmal zur Erinnerung an die Oberurseler Opfer des Nationalsozialismus“ statt.

Zur feierlichen Übergabe des Denkmals an die Stadt Oberursel (Taunus) möchte ich Sie recht herzlich am Samstag, den 3. September 2016 um 11.00 Uhr direkt am Denkmal im Hof der Hospitalkirche einladen.

Hans-Georg Brum
Bürgermeister

Vollständiges Einladungsschreiben (PDF)

Programm

am Denkmal (11:00 Uhr)

  • Chor „Entrüstet Euch“
  • Begrüßung durch Bürgermeister Hans-Georg Brum
  • Erklärungen zum Denkmal
    Herr Dietrich Andernacht
  • Kurze Ansprache
    Frau Angelika Rieber
  • Verlesen der Namen der Oberurseler Opfer des Nationalsozialismus
  • Chor „Entrüstet Euch“

anschließend Programm in der Hospitalkirche (ca. 11:30 Uhr)

  • Cello Trio „Trisonore“
    Michael East (1580-1648) – How Merrily We Live
  • Ansprache
    Bürgermeister Hans-Georg Brum
  • Cello Trio „Trisonore“
    William Walond (1725-1770) – Siziliana
  • Grußworte aus den Partnerstädten
    Bürgermeister Hervé Chevreau – Epinay-sur-Seine
    Mayor Jacqui Vosper – Rushmoor
  • Cello Trio „Trisonore“
    Antonio Vivaldi (1678-1741)
  • Ansprache
    Frau Annette Andernacht – Initiative Opferdenkmal e.V.
  • Cello Trio „Trisonore“
    Nuno Bettencourt (*1966)/Gary Cherone (*1961) – More than words

anschließend laden wir Sie zu einer kleinen Erfrischung in die Scheune Esch, Strackgasse 5, ein.

 

Redebeiträge der Feier

 

Angelika Rieber, Initiative Opferdenkmal

„Haltet mich in gutem Gedenken

Diese Zeilen schrieb Bertha Röder an ihre Kinder, kurz bevor sie im September 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet wurde.

Bertha Röder und Rosa Feinberg, die, wie sie in einem Gedicht ausdrückte, so gerne in Oberursel ihre letzte Ruhe gefunden hätte haben kein eigenes Grab. Die Erinnerung an diese Menschen und an ihr Leiden war daher das wichtigste Motiv für die Forschung von Eberhard Lauen, der sich mit den Opfern der NS-Euthanasie beschäftigt hat und meine Recherchen über die Schicksale der Oberurseler jüdischer Herkunft und der Opfer der politischen Verfolgung.

2003 äußerte Bertha Röders Sohn Ernst in einem Gespräch, dass er gerne mit einem Gedenkstein an seine Mutter erinnern möchte. Dieser Wunsch war für die Arbeitsgemeinschaft Nie wieder 1933 Anstoß, mit einem Denkmal den Opfern einen Ort des Gedenkens zu widmen. Das Mahnmal holt sie damit symbolisch wieder an ihren früheren Wohnort zurück. Mit dem Erinnerungsbuch „Haltet mich in gutem Gedenken“ werden die Lebensgeschichten der Verfolgten nachgezeichnet.

Die in das Denkmal eingelassene Glastafel nennt die bislang erforschten Namen der Opfer jüdischer Herkunft, der politischen Verfolgung sowie der NS-Euthanasie. Die Mehrzahl der Opfer der NS-Euthanasie dürfen allerdings nach gegenwärtiger Rechtslage nur im Einverständnis mit den Angehörigen mit vollem Namen veröffentlicht werden. Bei der Gestaltung der Glastafel hat die Initiative Opferdenkmal mehrheitlich entschieden, dort nur vollständige Namen aufzuführen. Um zu verhindern, dass die Menschen, die gegenwärtig nicht genannt werden können, in Vergessenheit geraten, werden demnächst in enger Verbindung mit dem Denkmal ergänzende Informationstafeln angebracht. Dort werden auch die abgekürzten Namen der Opfer der NS-Euthanasie zu finden sein. Die vollen Namen werden bei Änderung der Rechtslage oder neuen Erkenntnissen ergänzt.

Durch unsere Forschung konnten wir ca. 70 Namen von Opfern, die mit Oberursel verbunden sind, herausfinden. Diese Menschen sind in Oberursel geboren und haben hier einige Jahre lang gelebt. Sie sind von hier aus oder von anderen Orten deportiert worden. Eugen Tachau, der nach Frankreich geflohen war, wurde von dort verschleppt, Ludwig von Gans aus Dänemark, Paul Katzenstein und Walter Mannheimer aus Belgien. Emma Goldschmidt sowie die Schwestern Bertha und Johanna Hammelburg wurden aus Holland deportiert.

Die Opfer, deren Namen wir gleich verlesen, kamen auf unterschiedliche Weise zu Tode. Sie wurden kriminalisiert, gefoltert, in den Tod getrieben, sie wurden deportiert und ermordet.

Das Denkmal ist fertig, das Gedenkbuch gedruckt, doch die Forschung und die Auseinandersetzung mit den Ursachen und Folgen des Nationalsozialismus und die Erinnerung an die Opfer werden weitergehen.
Angelika Rieber, September 2016

 

Dietrich Andernacht, Initiative Opferdenkmal

Liebe Gäste,
erlauben Sie mir, Ihnen hier als Einstieg eine kurze Erläuterung dieses Denkmals geben, das auf einem Entwurf von Juliane Nikolai beruht und von der Bildhauerin Christine Jasmin Niederndorfer umgesetzt wurde.

Der Mittelblock des Denkmals repräsentiert die Stadtgesellschaft. Rechts und links stehen zwei Gruppen von Figuren. Sie sind durch den Mittelblock verbunden. Zugleich sind sie aber auch getrennt, symbolisiert durch den tiefen Einschnitt in der Mitte des Blockes.

Die eine Gruppe hier links steht für die verfolgten und ausgeschlossenen Menschen, die andere Gruppe rechts steht für die Mehrheitsgesellschaft. Die Figuren der Mehrheit drücken die verschiedensten Haltungen aus, von Scham bis Schadenfreude.

Das trennende Glas symbolisiert den Nationalsozialismus. Er steht wie eine Wand zwischen ihnen. Beide Gruppen können sich sehen, sehen was geschieht, kommen aber nicht mehr zueinander.

Für Viele endet die Verfolgung im Tod. Die Oberurseler, deren Namen hier auf der Glasplatte stehen, stehen am Ende zwischen den Gruppen.

Die Namen der Toten wurden reihum aufgetragen. Um sie zu lesen, muss sich der Betrachter einmal auf die Seite der Opfer und einmal auf die andere Seite stellen. Dieser Perspektivwechsel soll ihn auch dazu ermutigen, über seine eigene Haltung nachzudenken.

english translation

Dear Guests,
As an Introduction, please allow me to give you a short explanation of this monument, designed from a draft by Juliane Nikolai and created by the sculptress, Christine Jasmin Niederndorfer.

The central block of the sculpture represents the city community. The two groups of figures on the right and on the left are joined by this middle block. However, they are simultaneously separated, symbolized by the deep schism in the middle of the block.

The one group here to the left represents those who were persecuted and banished; the group to the right represents the majority of citizens, those demonstrating attitudes varying from shame to malicious gloating.

The dividing sheet of glass symbolizes National Socialism. It stands as a wall between the groups, both of which can see each other and perceive what is happening and yet remain divided.

Persecution ended for many in death. In the end, those citizens of Oberursel whose names are engraved on the glass stand between the groups.

The names of the deceased were engraved on both sides of the glass. In order to read them, the observer must move from the side of the victims to that of the others. This change of perspective is intended as an opportunity to reflect on one’s own attitude.

 

REDE Hospitalkirche – Bürgermeister Hervé Chevreau / Epinay-sur-Seine

Sehr geehrte Bürgermeister und Bürgermeisterin
Sehr geehrte Stadtverordnete von Oberursel, Rushmoor und Epinay-sur-Seine,
Sehr geehrte Vorsitzende,
Liebe Freunde, liebe französische Mitbürger,
Meine Damen und Herren,
In meiner Position als Bürgermeister von Epinay-sur-Seine, seit 1964 Partnerschaftsstadt von Oberursel bin ich gerührt und fühle mich sehr geehrt heute bei der Übergabe des Denkmals für die Oberurseler Opfer des Nationalsozialismus dabei zu sein.
In meinem Namen und dem meiner französischen Delegation möchte ich der Initiative von Frau Annette Andernacht und all Ihren Spendern und Unterstützern feierlich danken, die seit 10 Jahren unermüdlich zur Fertigstellung des Denkmals große Dienste geleistet haben.

Ich bin mir der Tatsache bewusst, dass es in Deutschland, Frankreich, sowie auch in England schwierig ist, über die tragischen Episoden unserer Geschichte zu sprechen; eine dunkle Vergangenheit, auch noch nach Jahrzehnten/Jahrhunderten wachzurufen.
Ich begrüße die Unermüdlichkeit und den Mut all Jener, die sich dafür eingesetzt haben dieses Denkmal hier in Oberursel zu verwirklichen.

Mit Weitsicht, Abwägung und Scharfsinn müssen wir zurückblicken, um unsere Vergangenheit zu kennen.
Ja, wir müssen feststellen was unsere Vorgänger Positives erreicht haben, um uns davon inspirieren zu lassen, um gleichzeitig die gemachten Fehler nicht zu wiederholen.

Die Erinnerung, ist für mich sehr wichtig. In Epinay-sur-Seine ist es ein „MUSS“, um eine beruhigte und fortschrittliche Gesellschaft zu konstruieren.

Es gibt nichts Schlimmeres als das Vergessen, das Verleugnen und das Unausgesprochene.

Das ist Gift für unsere Demokratien, da sie den Extremismus fördern und favorisieren.

Natürlich können wir die europäische Geschichte mit seinen Erfolgen, Misserfolgen, Kriegen und Waffenstillständen und den Millionen von Opfern durch regelmäßige Verwüstungen nicht mehr umschreiben.
Wir müssen ein Europa für die Zukunft schaffen, ein konkretes nützliches Europa, welches seine Bürger beschützt und sie nicht mit Normen überwältigt.

Nie zuvor war die EU so wertvoll für uns.

Dieses Europa der Zukunft soll auch mit unserer Vergangenheit an die Jugend vermittelt werden, ohne etwas zu verstecken:

Die außergewöhnlichen Erfolge und die geistigen/kulturellen Fähigkeiten müssen gleichermaßen erkannt werden wie die Ausschreitungen, seine Zerrüttung und seine furchtbaren Fehltritte.
In dieser Hinsicht erfüllt auch das Denkmal seine Aufgabe sich an die junge Generation zu richten, indem die Namen zum Gedenken an die Oberurseler Opfer des Nationalsozialismus in das Monument eingraviert wurden.

Anders gesagt, indem wir uns an diese dunklen Jahre erinnern, die unsere Länder mit Wahnsinn, Chaos und Horror verdunkelt haben, macht uns dieses Denkmal bewusst wie wichtig unser aktuelles Bewusstsein ist.
Deshalb bereitet uns das Monument zweifellos die Zukunft.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Hervé Chevreau
Bürgermeister aus Epinay-sur-Seine
03.09.2016

REDE Hospitalkirche – Bürgermeisterin Jacqui Vosper / Rushmoor

Herr Bürgermeister, sehr geehrte Gäste, Damen und Herren,
Ich bin stolz darauf heute bei der Übergabe des Denkmals für die Oberurseler Opfer des Nationalsozialismus dabei zu sein.
Es ist wichtig, dass wir niemals die Grauen der Vergangenheit vergessen und alles, was in unserer Macht steht dafür tun, um den Frieden und die Harmonie in Europa zu sichern.
Ich schätze all die harte Arbeit und das Engagement, die in den vergangenen 10 Jahren durch den Verein für die Entstehung des Denkmals aufgebracht wurden. Es wird ein bleibendes Mal sein für die Vergangenheit und auch für die zukünftigen Generationen.
Als Bürgermeisterin der Partnerstadt Rushmoor finde ich es besonders bedeutsam hier sein zu dürfen. Ich bin der Überzeugung, dass Freundschaften wie unsere dazu dienen unser Selbstverständnis zu stärken und unsere Verpflichtung der Zusammenarbeit zum  Wohlergehen unserer Gemeinden.
Jacqui Vosper
Bürgermeisterin aus Rushmoor
03.09.2016

 

Hans-Georg Brum, Bürgermeister Oberursel

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

liebe Freunde,
Ich freue mich, dass das neue Denkmal für die Oberurseler Opfer des Nationalsozialimus heute im Rahmen dieser festlichen Stunde der Stadt Oberursel für die Stadtgesellschaft übergeben wird.
Ich begrüße die Initiatoren der Initiative Opferdenkmal und alle, die dieses Projekt aktiv unterstützt haben, so dass es gut starten konnte und erfolgreich abgeschlossen wurde.
Es ist schön heute hier so viele Bürgerinnen und Bürger zu treffen, die Übergabe mit uns zu feiern. Stellvertretend für alle begrüße ich namentlichen den ersten Bürger unserer Stadt,
Herrn Stadtverordnetenvorsteher GERD KRÄMER und

Unsere Ehrenbürgerin GRETEL PROTEFAIX
Es freut mich das große Interesse der Oberurseler Bevölkerung am Thema.  Besonders freue ich mich über die Anwesenheit der Gäste aus unseren Partnerstädten Epinay-sur-Seine und Rushmoor. An ihrer Spitze Monsieur le Maire Herve Chevreau aus Epinay–sur–Seine und Mayor Jacqui Vosper  aus Rushmoor.

Ich heiße Sie alle herzlich willkommen!

DER NATIONALSOZIALISMUS

Keine Phase der geschichtlichen Entwicklung beschäftigt uns Deutsche so sehr wie die Phase der Schreckensherrschaft des Nationalsozialismus.
Die nationalsozialistische Herrschaft begann am 30. Januar 1933 mit der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler und endete am 8. Mai 1945 mit der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht vor den Alliierten.
Die Nationalsozialisten errichteten 1933 in Deutschland in Windeseile eine Diktatur nach dem Führerprinzip, in dem sie die demokratischen Institutionen des Staates außer Kraft setzten und so die Grundlagen für ihre Schreckensherrschaft schufen.

  • Politisch Andersdenkende wurden verfolgt, inhaftiert und ermordet.
  • Sechs Millionen europäische Juden wurden systematisch ermordet.
  • Über 500.000 Sinti und Roma und
  • etwa 100.000 Menschen mit geistigen und körperlichen Behinderungen fielen der nationalsozialistischen Vernichtungsstrategie zum Opfer.

Mit dem Überfall auf Polen am 1. September 1939 entfesselte das nationalsozialistische Deutschland den Zweiten Weltkrieg, der unendliches Leid über Europa und die Welt brachte

  • mit 50 Mio Kriegstoten,
  • Und vielen Millionen Menschen, die in diesem Krieg verletzt und traumatisiert wurden
  • und ihr Leben lang daran zu tragen hatten.

Die Skrupellosigkeit und Grausamkeit zeigt sich an vielen Begebenheiten dieser Zeit.

  • Nach der Strategie des sogenannten Hungerplans ließen die deutschen Besatzer in der Sowjetunion zwischen 1941 und 1944 geschätzt 4,2 Millionen Menschen bewusst verhungern und
  • rund 3,1 Millionen russische Soldaten starben in deutscher Kriegsgefangenschaft.

Die Menschheit hat in ihrer langen Geschichte viele Grausamkeiten erlebt. Diese Spuren der Gewalt und systematischen Vernichtung sind historisch beispiellos.

QUÄLENDE FRAGEN
Diese Vernichtungsstrategie ging von Deutschland aus: einem kulturell wie technisch und wirtschaftlich hochentwickelten Land. Dem Land der Dichter und Denker.
Warum? Wir fragen uns immer wieder – Wie konnte es geschehen?

  • Wie konnte diese Ideologie so große Macht über so viele Menschen gewinnen?
  • Wie konnte sich in unserem Land – mitten in Europa – ein solch aggressives und menschenverachtendes Unrechtsregime durchsetzen?
  • Wie konnte eine große Kulturnation sich davon dominieren lassen??
  • Warum sind so viele Menschen bis zum Ende mitgefolgt??
  • Warum haben so viele Menschen weggeschaut??
  • Und warum haben nur so wenige etwas dagegen unternommen??

Das sind quälende Fragen,

  • die in den 50er und 60er Jahren von einer breiten Öffentlichkeit noch verdrängt und totgeschwiegen wurden,
  • die heute von einer kritischen Öffentlichkeit immer wieder gestellt werden.

Fragen, die uns ratlos machen, weil wir darauf keine einfachen Antworten wissen, — für die es keine Antworten gibt.

EHRENDES GEDENKEN DER OPFER

Das Denkmal dient in erster Linie dem ehrenden Gedenken der Opfer.

Es zeigt zwei Gruppen von Menschen,

  • die dennoch getrennt sind, – getrennt hier durch eine Glasplatte
  • Menschen, die sich in der Darstellung kaum unterscheiden,
  • Menschen, die viel gemeinsam haben,
  • Frauen und Männer, Junge und Alte,
  • Menschen, die sich hier gegenüberstehen und sich anschauen,
  • Menschen aus unserer Stadt
    – auf der einen Seite die Mitglieder der städtischen Gemeinschaft
    – auf der anderen Seite, die Menschen, die nicht mehr dazu gehörten, die Menschen, die ausgegrenzt, verstoßen, gedemütigt, verfolgt, eingesperrt und ermordet wurden.

Und zwischen ihnen die Glasplatte,

die Glasplatte, die dem Unfassbaren die Namen gibt, die Namen der Opfer enthält, die dem Nationalsozialismus zum Opfer fielen:

  • Menschen jüdischer Herkunft,
  • Menschen, die politisch nicht in das System und die Ideologie passten,
  • Menschen, die aufgrund von körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderungen als „unnütze“ Existenzen diskriminiert wurden.

Sie alle waren Oberurseler Bürgerinnen und Bürger, Mitglieder unserer Stadtgesellschaft,

  • die unter uns gelebt haben
  • wie wir: mit ihrem Traum vom Leben,
  • wie wir: mit ihrem Streben nach Glück,
  • die plötzlich nicht mehr dazu gehörten,
  • die ausgegrenzt wurden,
  • verstoßen und gedemütigt,
  • verfolgt und eingesperrt
  • und die schließlich ermordet wurden.

Menschen aus unserer Stadt, die aus unserer Mitte stammen und jäh aus ihr herausgerissen wurden.

GESCHICHTE – GEGENWART – ZUKUNFT

Das Denkmal zielt weiterhin darauf ab, diese wichtige Phase unserer Geschichte in unseren Köpfen wach zu halten, diese schrecklichen Ereignisse nicht zu verdrängen oder darüber hinweg zu gehen, stattdessen zu Fragen zu stellen und darüber nachzudenken, auch wenn die Antworten so schwer fällt.
Auch unser Denkmal an der Hospitalkirche wird keine einfachen Antworten auf die uns quälenden Fragen liefern. Vielmehr gibt es Anlass zum Nachdenken. Durch seine Nähe ermuntert es noch mehr Fragen zu stellen.
Die Beschäftigung mit der Zeit des Nationalsozialismus ist notwendig, wichtig und richtig!

Heute angesichts weltweit rasanter Veränderungen vielleicht heute wichtiger denn je in unserer Nachkriegsgeschichte. — Angesichts:

  • Kriegen und Bürgerkriegen,
  • Zunehmender Bedrohung von Menschen in Krisengebieten weltweit,
  • Verfolgung und Unterdrückung,
  • Ethnischer und Religiöser Radikalisierung,
  • Millionen von Flüchtlingen, die an unsere Türen klopfen,
  • Terroristischer Gefahren und Exzesse
  • Dem Aufkommen autoritärer und totalitärer Regime
  • Wachsender Abgrenzung und Separatismus
  • dem Aufkommen populistischer Tendenzen und
  • dem Erstarken rechtsradikaler Ideologien,

Vor diesem Hintergrund ist das Denkmal gleichzeitig Warnung und Appell für Gegenwart und Zukunft an uns alle, an die Nachgeboren
es appelliert an das Gewissen und an die persönliche Verantwortung jedes Einzelnen von uns,

wachsam zu sein, was damals geschah:

Nationalisimus, Autoritärem Staat, Führerideologien, Totalitarismus, Kriegstreiberei keine Chance zu geben

Und sich stattdessen immer für den Menschen:

Für Frieden und Freundschaft, für Aussöhnung, für Zusammenarbeit und Integration einzusetzen.
Das Leitbild unserer Leitbild Stadt steht unter dem Motto:

LEBEN – QUALITÄT – ZUKUNFT.

Wir sollten die Menschen und die Menschlichkeit in den Mittelpunkt unseres Handels stellen. Das Streben nach Frieden und Freundschaft, für Aussöhnung, für Zusammenarbeit und Integration und die Grundlagen für eine gute Zukunft schaffen.

 

Annette Andernacht, Vorsitzende der Initiative Opferdenkmal

Rede zur Übergabe des Denkmals an die Stadt am 03. September 2016
Grußworte
Es ist vollbracht. Wer hätte das gedacht? Auch unter uns, die das Projekt vorangetrieben haben, überwog zu Anfang die Skepsis. Und jetzt sind wir froh, dass wir durchgehalten haben.
Aber der Reihe nach.
Vor über 30 Jahren gab es in der BRD eine Periode, in der die Aktivitäten neonazistischer Kreise in erschreckendem Maße zunahmen. Damals taten sich verschiedene Oberurseler Initiativen, politische Parteien und Vereine zusammen, um gemeinsam etwas dagegen zu unternehmen. Sie gründeten eine Arbeitsgemeinschaft mit dem Motto „Nie wieder 1933“ und stellten sich zwei Aufgaben: Erinnern an das was geschehen ist und Mobilisierung gegen Neofaschismus.
Das Schicksal der Menschen, die hier in Oberursel gelebt hatten und verfolgt wurden, wurde einer breiteren Öffentlichkeit bekannt durch das Buch „Wir bleiben hier“, in dem Angelika Rieber auf berührende Weise das Schicksal Oberurseler Familien beschreibt, die ins Exil getrieben oder umgebracht wurden. Ein Schicksal, das in diesem Buch beschrieben ist, ist das von Bertha Röder, die am 19.10.1943 in Ausschwitz ermordet wurde. Als das Buch öffentlich vorstellt wurde, kam auch ihr Sohn Ernst nach Oberursel und sprach über seine Mutter. Nach einem Rundgang durch seine alte Heimatstadt stellte er fest, dass es hier in Oberursel nichts gibt, was an seine Mutter erinnert.
Lange und intensiv haben wir in der AG „ Nie wieder 1933“ darüber debattiert, in welcher Form wir einen Ort des Gedenkens an Berta Röder und die anderen uns bis dahin bekannten Opfer schaffen können. Sollten wir Stolpersteine verlegen an der jeweils letzten Wohnung der Einzelnen oder eher eine zentrale Stelle suchen mit einem Gedenkort für Alle?
Vielleicht war es der Tatsache geschuldet, dass Bertha Röder im hintersten Haus einer Sackgasse gelebt hatte, durch die kaum jemand geht, vielleicht war es auch dem Umstand zuzuschreiben, dass wir von Anfang eher einen Ort mitten in der Stadt haben wollten. Haben die Menschen nicht mitten unter uns gelebt und gearbeitet? – Wir wollten also einen zentralen und gleichzeitig ruhigen besinnlichen Ort des Gedenkens schaffen. Eigentlich einen Ort, über den man quasi wie bei einem Stolperstein stolpert, ihn zufällig entdeckt und innehält.
Also haben wir uns ganz bewusst entschieden, das Denkmal für die Opfer des Nationalsozialismus in die Mitte der Stadt zu errichten, um die Menschen, die aus unserer Mitte gerissen worden waren, wieder dorthin zurück zu holen.
Inge und Eberhard Laeuen haben den ersten Kontakt hergestellt, die ersten Gespräche mit der Stadt geführt und aus der Stadtverwaltung kam der Vorschlag, diesen Platz hier am Alten Hospital für das geplante Denkmal ins Auge zu fassen. Wir waren begeistert. Eigentlich genau der Platz, den wir uns gewünscht haben.
Die Arbeitsgemeinschaft „Nie wieder 1933“ hat dann eine bundesweite Ausschreibung gemacht. Zu unserer großen Überraschung wurden über 50 Denkmalentwürfe eingereicht, die dann 4 Wochen im Foyer des Rathauses ausgestellt wurden. Ernst Röder war bei der Ausstellungseröffnung noch dabei. Heute ist sein Sohn Günter Röder hier, also ein Enkel von Berta Röder.
Von Anfang an war uns klar, wir wollten möglichst viele Oberurseler in dieses Vorhaben mit einbeziehen. Eine Jury aus Jugendlichen, Oberurseler Künstlern, Historikern, Vertretern der Stadt , Inge Laeuen von der AG “Nie wieder1933“ und Anwohnern des zukünftigen Denkmals sollte mitentscheiden, was in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft errichtet wird. Der Entwurf einer damals 18jährigen Schülerin des Oberurseler Gymnasiums hat die Jury überzeugt. Sie haben vorhin, draußen am Denkmal einiges über die tiefgreifenden, gut überlegten Aussagen des Denkmals gehört. Nun, die von Juliane Nikolai eingereichte Skizze war dann die Basis, auf der die Oberurseler Steinbildhauerin Christine Niederndorfer ein Modell des Denkmals geschaffen und anschließend künstlerisch umgesetzt hat. Christine kann heute nicht mit uns feiern, da sie im März verstorben ist. Aber Juliane ist heute hier. Dir nochmals herzlichen Dank, dass wir deinen Entwurf umsetzen konnten.
Wir hatten die Idee, wir wussten nun, wie das Denkmal aussehen sollte, was uns fehlte war das Geld. Viele Gespräche mit Menschen von denen wir glaubten, dass sie dieses Projekt unterstützen, wurden geführt, was viele auch taten. Es wurden öffentliche Gelder beantragt, die wir leider nicht bekamen. Es verging wertvolle Zeit, in der sich scheinbar nichts tat.
Da wir aber ernsthaft entschlossen waren, den Bau des Denkmals für die Oberurseler Opfer des Nationalsozialismus auf den Weg zu bringen, haben wir, einfach privat Geld vorgeschossen und den großen Mittelblock und die erste Figur aufgestellt. Damit haben wir erst mal ein sichtbares Zeichen gesetzt: Dies war ein Schritt, um uns selbst Mut zu machen und allen Spendern zu zeigen, dass ihr Geld wirklich etwas bewegt.
2008 gründeten wir dann den Verein „Initiative Opferdenkmal“ um den Bau zu beauftragen und Spenden zu akquirieren.
Spendensammeln, das ist ein mühsames Geschäft, aber wie es sich heute zeigt, lohnt es sich. Kleine Spenden, große Spenden – mit jeder Spende ist ein Gespräch verbunden über den Sinn des Denkmals. Die Idee findet Verbreitung, kommt in die Köpfe. Jeder Spender hat das Gefühl, ein Teil des Denkmals gehöre zu ihm. Eine kurze Geschichte über einen etwa 4 ½ Jahre alten Jungen, der einmal an einen Infostand kam und sich neugierig erkundigte, was ich hier tue: Das Denkmal, das um die Ecke stand, kannte er. Ich erklärte ihm, dass, wenn wir wieder genügend Geld beisammen hätten, würden wir dem Denkmal eine neue Figur hinzustellen. Er sah unsere Spendenbox. Darauf kramte er in seiner Geldbörse und suchte verzweifelt nach einem besonderen Geldstück. Er zog ein neu glänzendes 5 Cent Stück hervor. Er hielt es mir erwartungsvoll hin „Reicht das?“ Wochen später traf ich ihn mit seinem Vater am Denkmal. Er erkannte mich sofort. Er erkundigte sich nach der neuen Figur, die ich ihm auch zeigen konnte. „Ist die von mir?“ Ich erzählte ihm, dass ganz viele Menschen zusammen diese Figur gespendet haben, eine Person hat den einen Arm bezahlt, eine andere den anderen Arm usw. „ und ich den Kopf“? sofort bestätigte ich ihm das. Seine Mutter kam mit ihren Einkäufen um die Ecke. Sie wurde von ihm empfangen „Mama der Kopf ist von mir“!
Dies ist nur ein kleiner Beitrag, auf der anderen Seite gibt es z.B. einen Mitbürger, der sich selbst zu seinem Geburtstag die kleine Figur geschenkt hat, die er nun immer wieder besucht. Wir haben zu jeder neuen Figur eine Feier veranstaltet. Bei jeder Feier stellte Angelika Rieber Schicksale einzelner Opfer oder Opfergruppen vor. Jede neue Figur war ein Anlass, sich wieder mit dem Denkmal in der Öffentlichkeit auseinanderzusetzen.
Der Verein hat auch eine große Summe selbst erwirtschaftet – durch den Verkauf von Kaffee und Kuchen am Brunnenfest, Verkauf von Plätzchen, Marmelade und Selbstgemaltem an Weihnachtsmärkten und noch vieles mehr.
Bis zur Fertigstellung des Denkmals haben wir im Laufe von 10 Jahren über 100.000 € zusammengetragen. Für die Akzeptanz und die Bekanntheit des Denkmals hat es sich letztendlich als Glücksfall erwiesen, dass keine öffentlichen Mittel geflossen sind.
Während der gesamten Bauzeit war uns immer bewusst, dass die Verantwortlichen hier in der Stadt hinter unserem Projekt stehen. Wir hatten bei jeder Feier mindestens einen Vertreter der Stadt, der ein Grußwort gesagt hat, manchmal auch eine etwas längere Rede hielt. Unser Kämmerer hat mit seiner Tochter einmal die musikalische Umrahmung selbst in die Hand genommen.
Das Denkmal ist nicht nur ein Ort des Gedenkens, ein Ort, an dem wir an ein dunkles Kapitel der Geschichte unserer Stadt erinnern. Es ist zugleich ein Ort, der uns Kraft und Mut geben soll. Mut, uns allen Bestrebungen entgegenzustellen, Menschen auszugrenzen, sie zu entrechten und zu verfolgen.
Im letzten Jahr breitete sich überall im Lande eine Pogromstimmung aus mit Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte, auf Busse, die mit Flüchtlingen besetzt waren. Um dagegen aufzustehen und ein Zeichen zu setzen, wurde in Oberursel von Thomas Fiehler eine Lichterkette organisiert. Diese Lichterkette zog sich vom Rathaus quer durch die Vorstadt bis zu diesem Denkmal hier im Hof des Alten Hospitals. Was mich sehr berührt hat, war die Tatsache, dass viele Teilnehmer anschließend ihre noch brennenden Kerzen am Denkmal abstellten. In diesem Akt wurde für mich spürbar, dass die Bedeutung des Denkmals verstanden wird.
Heute übergibt der Verein „Initiative Opferdenkmal“ das Denkmal der Stadt.
Allen, die an diesem Denkmal mitgewirkt und dafür gespendet haben, herzlichen Dank.
Danke an die politischen Vertreterinnen und Vertreter dieser Stadt, die uns in allen Phasen ihre Solidarität und ihre Unterstützung entgegengebracht haben.
Danke an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des „Alten Hospitals“, sowie den Anwohnern die immer ein wachsames Auge auf das Denkmal haben.
Unseren besonderen Dank an alle Oberurseler, die dieses Denkmal und Mahnmal akzeptieren und mittragen.
Ich wünsche dem Denkmal, dass es als Ort angenommen wird, an dem wir uns der Grundlage unseres Zusammenlebens in einer Gemeinschaft bewusstwerden, dem Respekt vor der Würde jedes einzelnen Menschen.

Annette Andernacht
Vorsitzende des Vereins Initiative Opferdenkmal

Einladung zur feierlichen Übergabe des Denkmals an die Stadt Oberursel (Taunus)

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